Diese weit verbreitete Pflanzenfamilie hat einen besonders magischen Charakter und umschliesst so starke Mitglieder wie den nordeuropäischen Beifuß, Wermut und Eberraute ebenso, wie das chinesische Moxakraut und den amerianischen „Grey Sage“ (Präriebeifuß). Allen diesen Varianten ist eine starke Natur zueigen, die meiner Wahrnehmung nach eine Grundlage schafft, auf der eine rituelle Arbeit enorme Kraft bekommt. Rituelle Gegenstände damit zu beräuchern, hebt deren Wirkungsgrad, da sie von allen störenden Energien gereinigt werden. Ein Schutzraum entsteht um den Ritualplatz herum und die Verbindung zum „Inneren Kreis“ wird hergestellt.
Dieses Jahr Jahr habe ich eine wunderbar aromatische Qualität einer Präriebeifuß-Art im Zaubergarten angepflanzt und auch geerntet. Es ist der Indianische Frauenbeifuß (Artemisia frigida), der im Augenblick über und über mit filigranen kleinen Blüten besetzt ist (Korbblütler). Nachdem eine Facebook Freundin bedauerte, dass man den Duft nicht online übermitteln könne, habe ich folgendes geantwortet:
ok, ich beschreibe mal: es ist ein herb-süßer Duftakkord, bei dem die herbe Note ganz versteckt im Hintergrund liegt. Nach vorne ist es ein blumig-würziges „Aaaahhh“ wobei ein charismatisch einfliessender Hauch von Anis dem Ganzen einen Schuß kühle Eleganz verleiht.
„Das Kleine ist oft wunderschön. Ein Grund mehr mit offenen Augen durch die Welt zu gehen.“ Das war der Kommentar auf dieses Bild und ich konnte nur hinzufügen „Ja, es offenbart sich oft ganz wunderbar, wie das Große im Kleinen steckt. Ich liebe es, auf diese Weise Einblick zu nehmen. Man muß ja nur die Signatur der Staubfäden auf sich wirken lassen. Da drückt sich doch eine Haltung aus.“ Ich erkenne hier ein subtiles Ausloten und kühles Berechnen der Möglichkeiten. Diese Pflanze ist ein Überlebenskünstler. Dass bei ihrem Duft die verführerische Süße im Vordergrund steht und das Bittere eher versteckt im Hintergrund verharrt, finde ich sehr spannend, nachdem diese Pflanze von den Indianern als „Frauenbeifuß“ bezeichnet wird. Es gibt da wohl einen indigenen Bezug zum Geburtsprozess und dem Menstruationszyklus. Wie bei vielen Artemisien sind die Blüten auf den ersten Blick unscheinbar und dem Boden zugeneigt. Ebenso ist es bei dieser Spezies. Die Blüten sind konstant zur Erde ausgerichtet. Die Verbindung zu Mutter Erde ist also augenfällig.
Nach Artemisia, als der Göttin der Jagd und Hüterin des weiblichen Schosses, benannt, können wir davon ausgehen, dass alle Mitglieder dieser Familie etwas mit weiblicher Kraft zu tun haben: Heilen und Gebären. Dementsprechend sind die naturheilkundlichen Anwendungen vor allem im Bereich der Frauenmittel zu finden. Beifuß als Gewürz regt die Verdauung an. Etwas in den Fluß zu bringen, ist mit Sicherheit das regulative Ziel der Artemisia-Arten.
Die Lebensenergie zum Fliessen zu bringen, ist das Ziel der Moxabustion in der TCM, wenn mit kleinen Kügelchen oder gebündelten Stäben das Moxakraut (Artemisia species) auf Akupunkturstellen über der Haut verräuchert wird. Das hat mich interessiert, deshalb habe ich in diesem Jahr eine Pflanze gesetzt, um sie beim Wachsen zu beobachten.
Die Pflanze ist steil in den Himmel gestoßen, wurde aber immer schwerer, je üppiger ihre Blütenstände sich entwickelten. Der Zug zur Erde (Gravitation) wurde hier besonders offenbar. Auch der Stab zur Unterstützung konnte nicht ausreichend dagegen halten.
Besonders schön ist die Körbchenform der Blüten auch bei dieser Artemisienart zu erkennen und natürlich auch wieder ihre dem Boden zugewandte Haltung . Es ist die chinesische Variante des gemeinen Beifuß. Die Farbe der Blüten ist unserem Beifuß sehr ähnlich, allerdings hat mich die in den Himmel schießende Energie im Wachstum dieser Pflanze sehr beeindruckt. Das kann ich auch vom Räucherduft sagen. Es ist ein wunderbares von starker Kampfenote geprägtes aromatisches Erlebnis. Im wahrsten Sinne des Wortes Herz öffnend! Man spürt auch förmlich, wie Boden unter den Füssen entsteht.
Da bleibt noch der Blick auf den Wermut (Artemisia absinthium L.) den Hildegard von Bingen als „Meister über alle Erschöpfung“ bezeichnete. Die süße Bitterkeit ist sicherlich das Thema dieser Pflanze, die einen Silberstreif am Horizont symbolisiert.
Mein Vorschlag für eine Räucherung mit Wermut ist für den Moment, in dem es gilt, einen positiven Ausblick gerade dann zu bewirken, wenn die realen Chancen für einen guten Ausgang eher niedrig liegen.